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Der Begriff der Improvisation changiert von jeher zwischen vollkommener Freiheit (in den Künsten) und provisorischer Notlösungsaktivität (im Alltag). Im Design hat Improvisation jedoch eine eigene Bedeutung. Hier erweist sie sich als grundlegende Fertigkeit des Entwerfens. Sie dient dazu, Modelle zu bauen, Prototypen zu realisieren und dabei zugleich den Entwurfsprozess voranzutreiben. Im Verlauf der Konkretisierung eines Entwurfs leistet die Improvisation Wesentliches, weil sich durch sie Neues formiert. Es wäre jedoch ein Missverständnis, deshalb zu vermuten, sie sei das Produkt künstlerischen Genies. So schreibt der Architekturtheoretiker Charles Jencks, dass Improvisation – richtig verstanden – eine einfache und unmittelbare Methode der Kreation von Neuem aus vorhandenen Subsystemen darstellt. »Perhaps the oldest and simplest method of creation consists of readily available subsytems ad hoc, since it is always easier to work with what is familiar and at hand than what is removed in space and time« (Jencks/Silver 1972, S. 16). Diese, von Jencks als »Adhocism« bestimmte Improvisation kommt im Design typischerweise in der Werkstatt, beim Modellbau, aber auch beim Zeichnen zur Anwendung. Improvisation ist dabei an das materielle Arbeiten und an die Produktion von Modellen (im weitesten Sinne) gebunden. Designer entwickeln ihre Entwürfe in einem Wechselspiel von Korrektur und Anpassung in der Werkstatt, unter Verwendung vorhandener Werkzeuge und Formen.

Im Design spielen jedoch digitale Techniken des Rapid Prototyping eine immer größere Rolle. Sie scheinen eben nicht Improvisation zu erfordern, sie scheinen ganz im Gegenteil darauf angelegt zu sein, dass wir planen: Die digitalen Produktionstechniken (Lasercutting, CNC Milling, 3D Printing) erfordern 3D-Daten und damit die Kenntnis des zu entwerfenden Gegenstandes in all seinen Details. Wir verbringen viel Zeit mit der Produktion von Daten und weniger Zeit mit der Materialisierung.

Im Verlauf des Workshops an der Kunsthochschule Kassel sollten Produktion und Improvisation wieder zusammengeführt werden. Wir haben den Weg zu einer Form abgekürzt, und aus vorgefundenen Gegenständen, Bildern und aus den Resten vergangener Projekte Produktionsdaten abgeleitet. Mittels eines Lasercutters konnten Gegenstände schnell und unkompliziert materialisiert werden.

Referenzen

Christopher Dell: Prinzip Improvisation. Köln: Walter König 2002.

Charles Jencks (Hg.); Nathan Silver: Adhocism. The Case For Improvisation. London: Doubleday and Company 1972.

Claude Lévi-Strauss: Das Wilde Denken. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1977.